Wir spenden 3.000 EUR an die Aktionsgemeinschaft Artenschutz, um die Artenschützer*innen in den rumänischen Karpaten zu unterstützen. Die Spende wird anteilig für Kamerafallen für die Luchserforschung, mobile Zäune zur Eindämmung des Wildtier-Mensch-Konfliktes mit Braunbären und zur Wiederaufforstung benötigt. Unser Nachhaltigkeitsleiter ist stellvertretend für uns vor Ort und berichtet für euch aus Transsilvanien.
Die Anreise – sozial und ökologisch
Mit dem Nachtzug der Österreichischen Bahn fahre ich von Hamburg nach Wien klimafreundlich mit Ökostrom. Dadurch spare ich 224,1 kg CO2 im Vergleich zu einer durchschnittlichen Pkw-Anreise. Zudem ist es im Liegewagen wesentlich entspannter als hinter dem Steuer.
Am Morgen komme ich ausgeschlafen in Wien an und checke in Magdas Hotel ein – dem ersten Social Business Hotel in Österreich! Das nachhaltige Hotel bietet schicke Zimmer im Upcycling-Design. Statt für Profitmaximierung steht das Hotel-Team für die “Maximierung von Offenheit und Menschlichkeit”. Das Ziel des Hotels ist es, für Menschen mit Fluchthintergrund Arbeitsplätze zu schaffen und ihnen eine fundierte Ausbildung zu ermöglichen, “um gemeinsam die Welt ein wenig besser zu machen”. Ein Ziel, das wir natürlich unterstützen. Und die Speisen im Restaurant profitieren nachweislich von den Einflüssen der multikulturellen Beschäftigten.
Im Hotel leihe ich mir für kleines Geld ein Fahrrad, um damit übers Wochenende zur Green World Tour zu radeln. Der Messe für Nachhaltigkeit in Wien! An unserem Stand freue ich mich über den inspirierenden Austausch mit unseren Wiener Kund*innen.
Am Sonntagabend steige ich in den Zug nach Rumänien, wodurch ich wiederum 170,2 kg CO2 einspare. Der Nachtzug fährt mich über Budapest nach Transsilvanien (übersetzt “jenseits des Waldes”). Ich bin bereits vor gut acht Jahren durch Rumänien gereist, daher kann und möchte ich vorab festhalten: Wer jetzt dunkle Horrorgeschichten von Fledermäusen, Nebel und Wolfsgeheul erwartet, den möchte ich herzlich gerne enttäuschen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Landschaftsvielfalt ist einzigartig in Europa: Malerische Dörfer, traditionelle Landwirtschaft und urige Laubwälder bieten einen malerischen Anblick. Die Menschen sind sehr gastfreundlich und hier und da trifft man mit etwas Glück auf deutschstämmige Rumän*innen, die sich mit einem auf Siebenbürgisch-Sächsisch unterhalten können.
Willkommen in Transsilvanien
Ich erreiche die mittelalterlich anmutende Stadt Sighișoara – dem angeblichen Geburtsort von Dracula (Vlad Dracul). Die malerische Altstadt ist zu Recht mit dem UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet. Direkt neben dem Stundturm leuchtet im gelben Anstrich das vermeintliche Geburtshaus Draculas, worin allerlei Vampir-Kitsch angeboten wird. Zwar gibt es weder verlässliche Quellen, die nachweislich belegen, dass Vlad Dracul dort wirklich geboren wurde, noch ob das Haus zu dem Zeitpunkt überhaupt schon stand; doch diese historische Fußnote scheint weder die Einheimischen noch die Tourist*innen groß zu stören.
Auf in die Wälder der Karpaten
Mit Linienbussen erreiche ich das Ziel meiner Reise – Sovata. Der Ort schmiegt sich an den Ausläufern der Ostkarpaten. Meine Unterkunft liegt in Sichtweite des Lacul Ursu, was auf Deutsch Bärensee bedeutet. Wie treffend dieser Name gewählt ist, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Zwar freue ich mich, die Braunbären in freier Wildbahn beobachten zu können, doch dass eine Begegnung mit Bären äußerst gefährlich sein kann, verdeutlichen regionale Zeitungsberichte.
“Laut rumänischen Medienberichten gab es 2019 bereits acht tödliche Bärenattacken – alle in der historischen Region Transsilvanien. So gefährlich waren Haie zuletzt 2013 (zehn Tote).”
Noch am selben Nachmittag treffe ich den Biologen Csaba Domokos. Er ist der Experte für Wildtiere in dieser Region. Seine Leidenschaft gehört den Braunbären der Karpaten. Er berichtet mir, dass in Rumänien die größte europäische Population außerhalb Russlands lebt. Laut offiziellen Zahlen sind es gut 6.000 Tiere; so genau wisse das aber niemand, ergänzt er. Umweltorganisationen befürchten, dass es höchstens 2.000 sein könnten. Seit dem Jagdverbot aus dem Jahre 2016 gehen Jägerverbände hingegen inzwischen von weit über 10.000 Bären aus.
Als ich ihn nach den Bärenangriffen frage, holt er tief Luft, als müsse er seinen Ärger über die mediale Berichterstattung hinunterschlucken. Er erzählt mir, dass die Menschen ihre Orte und Städte immer weiter in die bewaldeten Bärengebiete bauen und sich nunmehr wundern, dass die Wildtiere in den Vororten auftauchen. In Sovata sei das nicht anders. Die Bären wandern seit jeher von den nahrhaften Buchen- zu den gegenüberliegenden Eichenwäldern. Er deutet von einem Hügel zum anderen. Wenn auf dieser Route Häuser und Straßen gebaut werden, ist der Mensch-Wildtier-Konflikt programmiert. Wenn Bären überhaupt angreifen, dann zumeist nur, da sie gereizt werden. Beispielsweise, wenn Menschen ihren Jungen zu nahe kommen. Unter den Opfern sind häufig auch illegale Jäger und Fallensteller. Der Konflikt zwischen Mensch und Wildtier ist komplex. Dass einige Menschen oder deren Vieh in bestimmten Regionen und Jahreszeiten Bärenangriffen ausgesetzt sein können, ist natürlich tragisch, doch die Schuld allein beim Bären zu suchen, greift viel zu kurz! Ein Kernproblem: Jeder habe eine Meinung über die Bären, aber kaum jemand weiß etwas über sie. Die Medien nutzen die Braunbären unter dieser Prämisse immer wieder gerne oberflächlich als reißerischen Sündenbock, wenn es sonst nichts Spannendes zu berichten gibt, stellt er resigniert fest. Er fragt mich, ob ich noch heute einen Braunbären sehen möchte. Als ich begeistert bejahe, steigen wir kurzerhand in seinen Jeep und fahren in die Wälder.
Im Angesicht mit einem wilden Bären
Voller Vorfreude und doch mit einem zugegeben etwas mulmigen Gefühl wandere ich hinter Csaba tiefer in den Wald. Die letzten Sonnenstrahlen streichen über die majestätischen Wipfel der Bäume. Ab hier solle ich nur noch flüstern und jedwedes Geräusch oder hektische Bewegungen vermeiden – ich solle am besten alles unterlassen, was einen Bären reizen könne. Ich nicke zustimmend, obgleich ich nicht sicher bin, was damit genau gemeint sein könnte. Stattdessen deutet er auf die Fußspuren eines Bären. Tellergroß. Dem möchte ich besser nicht begegnen, denke ich. Wir erreichen eine kleine Holzhütte – es beginnt bereits leicht zu dämmern. Ein schmales Rechteck ist in die vordere Wand geschnitten. Durch dieses Guckloch beobachten wir die vor uns liegende Lichtung. Csaba und ich verstehen uns hervorragend und wir tauschen uns über die Vermeidung des Mensch-Wildtier-Konfliktes aus, als plötzlich ein breiter Schatten aus dem Wald auftaucht. Meine erste Begegnung mit einem wild lebenden Braunbären. Keine fünfzig Meter von uns. Ein unbeschreibliches Gefühl.
Auf einmal dreht die Bärin sich hektisch um, macht einen kräftigen Satz und verschwindet im Unterholz. Auf meine Frage, was eine 150 Kilogramm schwere Bärin denn bitte so erschrecken könne, antwortet Csaba prompt: “Na, ein noch größerer Bär! Vermutlich ein Männchen. Diese können leicht doppelt so viel wiegen.” Wesentlich aggressiver seien jedoch die Weibchen, wenn sie Junge bei sich haben. Dann nehmen die es mit jedem auf, endet er. Wohl keine gute Idee jetzt die Hütte zu verlassen, erwidere ich fragend. Er nickt zustimmend und weist mich erneut darauf hin, doch bitte leiser zu sprechen.
Ich frage ihn, was ich denn konkret tun solle, wenn wir vor einem Bären stehen. Das sei nicht so einfach, erwidert er. Der Braunbär ist wesentlich stärker, kann deutlich besser klettern und schwimmen. Zudem ist er verdammt schnell – bis zu 60 kmh. Von seinem unglaublichen Geruchssinn ganz zu schweigen. Bei Rückenwind könnten wir hier nicht stehen. Scherzhaft flüstere ich ihm zu, dass ich ja versuchen könne zur Salzsäule zu erstarren und mir vor Angst in die Hose pinkeln könnte. Csaba lacht leise; das könnte tatsächlich funktionieren, denn damit gibts du ihm zu verstehen, dass du keine Gefahr bist. Lauf auf jeden Fall nicht weg, denn dann könnte sein Jagdinstinkt geweckt werden. Notfalls habe ich Bären-Pfefferspray dabei. Ich musste es in all den Jahren allerdings noch nicht ein einziges Mal benutzen. So viel zur medialen Dämonisierung des Bären, dass sie blutrünstige Killer seien. Zudem sind Bären ohnehin überwiegend Pflanzenfresser. Der Mensch gehöre nicht auf seinen Speiseplan, endet er mit einer beschwichtigenden Handbewegung.
Wir verharren eine gute halbe Stunde in der Hütte und deuten die Geräusche des Waldes. Knackende Äste, die Csaba den Wildschweinen zuschreibt. Bären seien trotz ihres Gewichts fast lautlos, erklärt er. Auch diese Information beruhigt mich für unseren Rückweg durch den nunmehr pechschwarzen Wald eher weniger. Doch alles geht gut. Und als wir endlich wieder im Jeep sitzen, atme ich hörbar tief durch.
Zurück im Ort gehen wir essen, als plötzlich mein Handy hektisch zu piepen und surren beginnt. Eine Nachricht erscheint auf meinem Display mit einem Warnhinweis in rumänischer Sprache.
Die bekommt hier jeder, sobald Bären im Ort gesichtet worden sind, übersetzt er. Jetzt sollte man besser nicht zu Fuß unterwegs sein. Ich fahre dich besser in dein Hotel.
Indian Summer? Transylvanian Autumn!
Wir haben der NGO von Csaba Kamerafallen gespendet, die möglichst nützliche Bilder für die Erforschung des Luchses liefern sollen. “Grundlagenforschung” wie er es nennt; denn bisher ist nur wenig über die Population und das eigentliche Verbreitungsgebiet der scheuen Wildkatze hierzulande bekannt. Wieder fahren wir mit dem Jeep in den Wald, der uns farbenfroh im Lichte der Sonne empfängt. Einfach nur schön!
Csaba deutet auf diverse Spuren – Pfotenabdrücke von Bären, Wildschweinen sowie allerlei Rehe und Rotwild. Wölfe habe er in über zehn Jahren lediglich dreimal zu Gesicht bekommen; einen Luchs sogar nur einmal. Sie seien eben extrem scheu. Über GPS spüren wir die Kamerafallen auf und gemeinsam tauschen Csaba und ich die Speicherkarten der Kameras aus. Er erklärt mir, dass er auf den Bildern anhand der Fellmusterung die Luchse eindeutig identifizieren kann – diese Muster seien einzigartig – ähnlich einem menschlichen Fingerabdruck.
Die Auswertung der Kamerafallen
Wieder fahren wir mit dem Jeep über holprige Trampelpfade tief in die Wälder. Wir wandern etliche Kilometer bergauf und bergab. Trotz Wind und Kälte kommen wir ziemlich ins Schwitzen. Es ist wie auf einer Schnitzeljagd: Kamerafallen suchen, Batterien prüfen und Speicherkarten einsammeln. Die Aussicht auf die Berge und Täler, die wir dabei genießen, entschädigt jedoch bei Weitem die körperlichen Anstrengungen.
Am Abend erfolgt die Auswertung unserer “Beute”. Gespannt sitzen wir vor dem Laptop und lesen die Bilder ein. Auch für Csaba ist es immer wieder spannend, was wohl auf den Bildern zu sehen sein wird. Das Ausbeute war ein voller Erfolg! Wildschweine, Wild und sogar ein Fuchs wurden von unserer Kamerafalle abgelichtet. Auch Bären finden sich auf den Aufnahmen. Doch das beste: Unsere Kamera hat einen scheuen Wolf erwischt.
Jeden Tag ziehen wir weiter und tiefer durch die Ostkarpaten. Einen Luchs konnten wir bisher noch nicht ablichten. Auf einem abgelegenen Bergkamm haben wir Mühe, unsere versteckte Kamera zu finden. Nach etlichen Anläufen finden wir sie. Ich wechsele die Speicherkarte und übergebe sie Csaba. Bei den Bildern wird dieses Mal ein Luchs dabei sein, prognostiziert er optimistisch. Wieso frage ich? Ich weiß nicht, antwortet er, blickt sich um – ist so ein Gefühl; eine Intuition aus über zehn Jahren im Artenschutz. Bei der abendlichen Auswertung platzt es aus uns heraus, als wir die Bilder betrachten: Wow! Ein wahrer Volltreffer.
Auf der Suche nach dem abtrünnigen Bären
Die Luchse werden vornehmlich mit den getarnten Kamerafallen analysiert. Die Bären hingegen sind mit langlebigen Sendehalsbändern ausgestattet. Das GPS-Signal verrät die genaue Position des Bären und liefert somit notwendige Informationen über sein Bewegungsmuster. Zumindest, wenn es nicht defekt ist. Csaba berichtet mir, dass ein Halsband kein Signal mehr sendet. Das könne alles Mögliche bedeuten, sinniert er. Aber vermutlich ist es schlichtweg kaputt. Vielleicht trägt der Bär es noch; vielleicht liegt es irgendwo in der Wildnis. Das Halsband einfach aufzugeben komme aber nicht infrage – es kostet 2.500 Euro! Zum Glück sendet das Halsband auch Radiowellen. Das ist zwar wesentlich umständlicher als ein GPS-Signal zu orten, aber mit einer mobilen Antenne könnten wir es wiederfinden.
Es ist beeindruckend wie der Fährtenleser die Natur sieht und zu deuten versteht. Aus allem kann er eine tierische Spur ableiten: Abgeknickte Äste, umgedrehtes Laub, Pfotenabdrücke, Fellreste, Kratzspuren und Kot. Vor einer Pfütze halten wir plötzlich an. Das schlammige Wasser sei schlammfarben! Ach was, denke ich mir; sage aber nichts. Das Wasser müsse jedoch klar sein, versichert der Fährtenleser. Hier muss erst kürzlich ein Tier durchgewandert sein, der das Wasser aufgewühlt hat. Als wir aussteigen, deutet er auch sofort auf einen Pfotenabdruck eines ausgewachsenen Bären.
Bis spät in den Nachmittag folgen wir den Spuren des Bären. Ich hoffe insgeheim, dass der Bär das Halsband inzwischen verloren hat, denn auf eine Begegnung mit ihm kann ich gut verzichten. Dann endlich ein Signal. Vor uns ist das feuchte Gras platt gedrückt. Eindeutig eine Spur! Und tatsächlich finden wir es kurze Zeit später – ohne dazugehörigen Bären.
Unser Aufforstungsprojekt im östlichen Transsilvanien
Am frühen Vormittag widme ich mich einem anderen Thema – dem regionalen Waldverlust. Ich treffe ich mich in Sândominic mit László und István von Pando – einer lokalen NGO, die sich für eine „ökologische Restaurierung“ der Region einsetzen. Was das genau bedeutet, erklären sie mir direkt im Projektgebiet.
Nach historischen Recherchen standen hier bis zum 18. Jahrhundert dichte Eichenwälder, doch durch den stetig steigenden Holzbedarf und aufgrund der Intensivierung der Landwirtschaft wurden diese Wälder größtenteils abgeholzt. Zurück geblieben sind mitunter brachliegende Landstriche, die hier und da nur noch den Schafen zum Grasen dienen.
László promovierte in Geografie an der University of Cambridge über die Auswirkungen des Klimawandels und der Entwaldung im Amazonasbecken. Während er aufs Tal deutet, erklärt er mir, dass der Klimawandel sich selbstverständlich auch auf dieses Becken auswirkt. In den kommenden Jahrhunderten wird die Vegetation hier wahrscheinlich mit einem trockeneren und wärmeren Klima zurechtkommen müssen. Diese Veränderungen werden für Eichen-Hainbuchen-Wälder günstiger ausfallen als für die ausgedehnten Kiefernwälder, die heute den oberen Teil des Beckens charakterisieren.
Bei einem Kaffee beschließen wir, dass dieUmweltDruckerei das Aufforstungsprojekt mit 333 heimischen Jungbäumen unterstützt. Unser gemeinsames Ziel ist es, 1.000 Quadratmeter zu revitalisieren, um dieses Areal klimafit für Mensch und Tier im Sinne der ursprünglichen Natur zu gestalten.
Der Mensch-Wildtier-Konflikt – oder wie trennt man Bären und Wölfe von Mensch und Vieh
Csaba und ich fahren zum Ende meines Aufenthaltes ins Szeklerland – eine Region, die mehrheitlich von Ungar*innen bewohnt wird, denn Transsilvanien gehörte bis 1918 zu Ungarn. Hier treffen wir den Bauern Farcaş, dem wir einen elektrischen Weidezaun spenden, um sein Vieh vor Wildtieren zu schützen.
Farcaş wohnt mit seiner Familie am Hang eines bewaldeten Hügels, an dem seine Schafe und Kühe auf offener Weide grasen. Sein Name ist fast wie ein Omen; denn ‚Farcaş‘ ist ungarisch und bedeutet ‚Wolf‘. Diese haben hier leichtes Spiel, beschreibt er die Situation. Im Schutze des Waldes kommen die Wölfe und reißen seine Schafe. Wie häufig das denn vorkomme, möchte ich wissen. Schwer zu sagen, überlegt er. Manchmal bliebe er verschont. Teilweise aber zwei, dreimal Mal pro Jahr. Der Verlust auch nur eines Schafes bedeute für ihn als Kleinstbauern einen erheblichen Schaden, unterstreicht er. Ob er denn nicht vom Staat entschädigt werde, hake ich nach. Es gäbe ein Kompensationsprogramm, aber das ist ein wahnsinnig bürokratischer Prozess, der sich über viele Monate erstrecken kann. Die meisten Bauern in der Region stellen daher gar keinen Antrag. Und der Bär, möchte ich wissen; reißt auch er deine Schafe oder gar Kühe? Weißt du, entgegnet er – Die Frage ist nicht, ob der Bär mein Vieh reißt, sondern nur wann! Der Verlust einer Kuh wäre folgenschwer für seinen bescheidenen landwirtschaftlichen Betrieb. Csaba, der für mich das Ungarische übersetzt, nickt mehr zu als wolle er sagen – siehst du, da habe ich für euch genau die richtige Bauernfamilie ausgesucht für die Spende eures Weidezauns.
Am Ende des Tages fragen wir uns, ob wir den Mensch-Wildtier-Konflikt damit gelöst hätten. Nicht wirklich, gestehen wir uns ein. Doch diesem einen Bauern haben wir wahrlich geholfen, hebt Csaba hervor! Für ihn wäre die Finanzierung des Zaunes nahezu unmöglich.
Viel mehr Sorgen bereit Csaba jedoch der Bau einer Autobahn quer durchs Bärengebiet. Das wird den Mensch-Wildtier-Konflikt wieder forcieren, denn die Bären und andere Wildtiere müssen ihre Routen ändern, wenn sie nicht von Autos überfahren werden wollen. Der Kontakt zu den Bewohner*innen der anliegenden Dörfer sei damit wieder mal programmiert. Sein Ziel sei es, lebensnotwendige Gebiete als Natura 2000-Schutzgebiet auszuweisen. Der Kampf geht eben immer weiter.
Doch für heute reichts. Wir öffnen ein Feierabendbier und stoßen an. Als ich versehentlich auf Deutsch ‘Prost’ sage, muss Csaba laut lachen. Das sage hier besser nicht, denn das heißt auf rumänisch ‘Trottel’ oder schlichtweg ‘Idiot’. Auch ich muss lachen. Wie heißt es denn auf Rumänisch? Noroc! Und auf Ungarisch? Egészségére! Eges…was?! Ach, dann halt auf uns zwei Idioten!
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