Geo-Engineering: Wenn ein Roman eine ökologische Dystopie beschreibt

Beim Umweltfestival in Berlin hat unser Nachhaltigkeitsleiter die Autorin Kerstin Doerenbruch kennengelernt. Sie hat aus wissenschaftlicher Perspektive den Thriller Total Reset geschrieben, um mehr Menschen auf das Thema Geo-Engineering aufmerksam zu machen. Geo-Engineering bezeichnet großräumige Eingriffe mit technischen Mitteln in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe der Erde, um die globale Erderwärmung zu minimieren. Was sich in diesem Kontext hinter dem Buch der Autorin verbirgt, erfahrt Ihr in unserem Blog-Interview.

Du hast dich auf neues Terrain gewagt, was war die Motivation, dieses Buch zu schreiben?
Ich hatte meine Masterarbeit über die Risiken und Chancen des Geo-Engineerings geschrieben und hielt es für ziemlich krass, wie weit dort die Forschung bereits vorangekommen ist. Etliche Punkte, was dabei schieflaufen kann, sind laut meiner Recherche nach bisher nicht wirklich beleuchtet worden. Das war einfach eine Steilvorlage für das Format eines Agententhrillers.

Früher leitest du in der Automobilindustrie eine Konstruktionsabteilung und bist heute Dozentin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Wie bist du zu dem Thema gekommen?
Ich engagiere mich heute sehr stark ehrenamtlich im Umweltbereich und habe mich für eine Presseaufgabe weitergebildet. Dass dieses schon sehr technische Thema Geo-Engineering mein Masterarbeitsthema wurde, hat aber sehr viel mit meiner Ingenieursausbildung zu tun. Dort habe ich mich viel mit Sicherheitsrisiken beschäftigt und eine gute Intuition entwickelt, was alles so schiefgehen kann.

Welche Rolle spielt Geo-Engineering in deinem Thriller?
Ich beziehe mich auf die gefährlichere Sorte von Methoden, bei denen man versucht Sonnenlicht zurück ins Weltall zu reflektieren. Das heißt, man greift in Klimasystem ein, um die Folgen des Klimawandels zu beheben. Aber die Maßnahmen setzen nicht bei der Ursache an. An der Harvard-Universität wird zum Beispiel daran geforscht, mit einem feinen Sprühnebel von sogenannten Aerosolen Licht in der Stratosphäre aus der Atmosphäre wieder heraus zu reflektieren. Man weiß von Vulkanausbrüchen, dass man dadurch die Erde deutlich abkühlen kann. Nur leider ist das nicht überall gleichmäßig möglich. Außerdem verschieben sich die Niederschläge.

Das hört sich ja wirklich nach einem spannenden Thema an. Wie hast du die Charaktere angelegt?
Da ist einmal die Wissenschaftlerin Grace, die gar nicht weiß, wie ihr geschieht, als sie mehr und mehr realisiert, dass sich das ganze Thema verselbstständigt. Es mischen sich auf einmal hochrangige Regierungsvertreter in ihre Arbeit ein. Und da ist dann der BND-Agent Luca, der Grace zur Seite steht, um Schlimmeres zu verhindern. Ich glaube, ich verrate nicht zu viel, wenn ich vorwegnehme, dass sich zwischen beiden eine Liebesgeschichte anbahnt…

Da hast du dann gleich mehrere Genres verquickt? War das von Anfang an beabsichtigt?
Ja, ich habe bewusst versucht, dem wissenschaftlichen Thema durch die Love-Story etwas die Schwere zu nehmen. Und das Agentenformat eignet sich wunderbar, um den Spannungsbogen aufzubauen und auch die richtigen Cliffhanger zu setzen.

Welches Feedback hast du bisher zu dem Thriller bekommen?
Viele Menschen sind erstaunt darüber, was alles möglich ist, mit diesen Methoden und fanden meinen Plot durchaus realistisch.

Auf LinkedIn habe ich gelesen, dass dein Buch Anfang 2025 verfilmt wird.
Ja, der Filmemacher Felix Meinhardt hat zugesagt, den ersten Teil zu realisieren. Wir arbeiten gerade am Drehbuch und suchen noch nach Co-Produzenten für den zweiten Teil. Es ist unglaublich spannend, sozusagen „behind the scenes“ mitzuwirken.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Dass das, was ich in meinem Buch beschreibe, nicht wahr wird. Bessere Alternativen, wie wir das Klimaproblem lösen können, liefere ich deshalb gleich mit.

Und welche Lösungsansätze sind das? Offensichtlich bist du keine Verfechterin einer Klimapolitik, die daraufsetzt, dass uns eine zukünftige Technik von unserer langfristigen Klimaschutzverantwortung befreien könnte.
Das ist richtig. In den Rückblicken meines Thrillers in die Jugend der Protagonisten, wird am Rande die Auswirkung unserer Art von Ernährung, Mobilität und Energie erklärt. Ich wollte gerade junge Leser nicht mit meiner dystopischen Geschichte allein lassen.

Ich denke, wir müssen jetzt an allen bekannten Stellschrauben drehen. Momentan zeigen und warten wir immer „auf die anderen“. Die Politik schielt auf den Wähler. Der Wähler wünscht sich mehr Engagement von der Industrie. In der Industrie werden die Stimmen immer lauter, die nach festen Rahmenbedingungen durch die Politik fragen. So drehen wir uns im Kreis. Dabei ist es nur noch zu schaffen, wenn alle etwas tun. Also warum nicht bei sich selbst beginnen?

Seit sich im letzten Jahr die Meere so stark erwärmt haben, dass selbst die Klimawissenschaftler überrascht waren, habe ich mich gefragt: Sind das jetzt vielleicht schon die Kipppunkte, die wir überschreiten? Die Prozesse wären dann nicht mehr reversibel. Uns bleibt also nicht mehr viel Zeit.